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Die Forscher,
welche versuchten, die Felskunst der Sahara zu klassifizieren und zu
datieren, sahen sich einer äußerst komplizierten Aufgabe
gegenübergestellt, denn viele Völker sind in den letzten Jahrtausenden
durch die Sahara gewandert. Archäologische Ausgrabungen sind spärlich in
der Sahara und die Beziehungen zwischen den Grabungsergebnissen und der
Felskunst müssen noch nachgewiesen werden.
Hinzu kommt, daß es bei der direkten Datierung von Malereien und
Gravierungen noch nicht viele Erfolge in dieser Gegend gegeben hat,
selbst wenn mit der modernen C14-Technologie (ASM) für Malereien und der
mineralogischen Untersuchung der Patinas von Gravierungen mit dem
Elektronenmikroskop in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht
wurden. Diese Schwierigkeiten spiegeln sich wieder in den verschiedenen
Chronologien, welche die Forscher der verschiedenen 'Schulen'
vorgeschlagen haben.
Einige der klassischen Chronologien sind in der Tabelle zusammengefaßt.
Man muß berücksichtigen, daß die von den verschiedenen Forschern
vorgeschlagenen Klassifizierungen nur schwer in eine chronologische
Tabelle zusammengefaßt werden können, da sie auf einer komplexen Analyse
einer großen Zahl von Felsbildern sowie archäologischen,
klimatologischen, paläobotanischen und paläozoologischen Daten beruhen.
Wir möchten betonen, daß Lhote die "Rundkopf"-Gruppe für den Tassili
definiert hat, aber die "Bubalus"-Gruppe für die zentrale Sahara und den
algerischen Atlas. Während die "Rundkopf"-Gruppe in einem beschränkten
Gebiet mit einer einzigen ethnischen Gruppe verbunden gewesen sein
könnte, ist die "Bubalus"-Gruppe schwerlich einer einzigen ethnischen
Gruppe zuzuordnen, die in solch einem großen Gebiet nomadisierte.
Kulturelle Beziehungen zwischen Gruppen von Jägern und Sammlern bzw.
Hirten aus Tassili und Atlas müssen deshalb mit überzeugenderen
Argumenten bewiesen werden als Gravierungstechnik, Stil und dargestellte
Fauna. Mori, Muzzolini, Tauveron-Aumassip und andere Forscher benutzten
die gleichen Namen um Felskunststile in verschiedenen Regionen der
Sahara zu definieren. Während stilistische Kriterien überzeugend sein
mögen zur Charakterisierung von ethnischen Gruppen in abgegrenzten
Gebieten wie Tassili und Tadrart Acacus, sind sie weniger überzeugend
für weit entfernte Gebiete. |
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Diese schematisierten Klassifikationen sind deshalb fragwürdig
für Prähistoriker und Anthropologen, die
versuchen, Felskunststile mit
nomadischen Völkern zu verknüpfen, welche die Sahara in den
vergangenen Jahrtausenden bewohnten, aber sie können helfen, das
außerordentliche kulturelle Feld zu erleuchten, welches alle die
alten Völker der Sahara in verschiedenen Gebieten und zu
verschiedenen Zeiten (?) abdeckten.
Einige Autoren stellen die "schematischen" Gravierungen
unter die ältesten Darstellungen von Felskunst. Wir erwähnen sie
nicht in der vorliegenden Tabelle, da es unmöglich ist, sie von
der gleichen Art neuerer Gravierungen zu unterscheiden: nur die
Änderung der Gesteinsoberfläche, die stark beeinflußt ist von
unterschiedlichen Aussetzungen gegenüber der Verwitterung, und
Überlagerung durch bekannte Gravierungen helfen bei ihrer
Unterscheidung. Je "schematischer" ein Bild ist, desto weiter
ist es verbreitet. Diese Tatsache schwächt Vergleiche und
Chronologien.
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Cueva de las Manos,
Patagonia (J. Schobinger, C.J. Gradin, 1985,
L'arte delle Ande e della Patagonia, Le orme dell'uomo, Jaca Book) |
Karnasahi, Enneri
Korossom, Ost Tibesti
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Die
von Alfred Muzzolini und Jean-Loïc Le Quellec vorgeschlagene
"kurze" Chronologie beruht hauptsächlich auf dem Auftreten von
domestizierten Rindern in "Bubalus"-Gravierungen und auf
verläßlichen C14-Daten für Überreste von domestizierten Tieren.
Sie denken, daß die aus archäologischen Grabungen gewonnenen
Daten nicht vor 4500-4000 v.Chr. zurückreichen. Es gibt auch
bedeutende stilistische Analogien zwischen gewissen
"Bubalus"-Gravierungen, die große Wildtiere darstellen, und
solchen, die domestizierte Tiere zeigen. Jedoch ist das Argument
der Anwesenheit von domestizierten Tieren nicht voll
überzeugend. Auf der Basis von DNA-Daten hat sich wahrscheinlich
die wilde "bos taurus" Spezies um 22000 bp in eine
europäisch-vorderasiatische und eine afrikanische Version
geteilt.
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Deshalb kann es eine unabhängige Domestikation von Rindern in
Nordafrika gegeben haben. Der Vorgang der Domestikation mag sich
über eine gewisse Zeit erstreckt haben, während der sich das
Aussehen der Tiere durch selektive Zucht geändert hat. Das würde
bedeuten, daß zwischen den Überresten von wilden und frühen
domestizierten Tieren nicht eindeutig unterschieden werden kann.
Es sollte auch bedacht werden, daß einige Forscher mehrere
Petroglyphen entdeckt haben an einzelnen Lokationen, die von
Bubalus-Gravierungen überlagert sind und einen viel höheren Grad
von Erosion zeigen als die letzteren. Auf der anderen Seite
zeigt die Anwesenheit von Schafen unter den
"Bubalus"-Gravierungen, daß dies domestizierte, von Menschen
eingeführte Tiere sind, wilde Schafe hat es nie in Afrika
gegeben. Der Zeitpunkt der Einführung ist gut bekannt und reicht
nicht vor das 5-te Jahrtausend v. Chr. zurück.
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Bei den "Rundköpfen" bemerkte Muzzolini einige Darstellungen von
Rindern, aber nicht in Jagdszenen. Er schloß daraus, daß sie
domestiziert seien. Aber auch hier ist das Argument nicht überzeugend,
da Schafe fehlen.
Die Unterschiede zwischen den Chronologien sind beachtlich, weil in der
"langen" Chronologie die ältesten Darstellungen ("Bubalus"- und
"Rundkopf"-Stil) das Werk von Jägern-Sammlern gewesen sein müssen,
während in der "kurzen" Chronologie alle Felskunst von Gruppen
produziert worden sein müßte, die in der neolithischen Periode gelernt
hatten, ihren Lebensunterhalt zu gewinnen und eine gewisse
Unabhängigkeit von der umgebenden Umwelt zu erlangen. Für die
Klassifizierung der Felskunst der Sahara haben die Gelehrten oft die
dargestellten Tiere als "fossile Indikatoren" benutzt: das Kamel und das
Pferd für die nach ihnen benannten Perioden (Schulen und/oder Stile);
den großen Büffel (früher "Bubalus" genannt) für die Bubalus-Periode und
das Hausrind für die Rinderperiode. D
ie Forscher gruppierten die untersuchten Arbeiten zunächst nach
stilistischen Kriterien, nach den dargestellten Objekten, nach
Superpositionen und nach den Unterschieden der Patina. Sie arrangierten
diese dann in einer Chronologie, die im wesentlichen auf "fossilen
Indikatoren" beruht (siehe oben). Es ist klar, daß diese Kriterien nicht
ausreichen um Arbeiten zu klassifizieren, bei denen diese Tiere nicht
dargestellt sind.
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Ein Schaf überlagert
ein ovales Zeichen. W. In-Tullult - Messak Settafet - Libyen
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Letzte
Aktualisierung
den
20.12.2014
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